21.Dezember 2020. Seit 15 Monaten arbeitet Shabnam Nadery aus Afghanistan (Bild Mitte) beim DRK-Blutspendedienst BaWü-Hessen in Kassel als Auszubildende zur medizinischen Fachangestellten. „Ihre Fortschritte sind enorm“, erklärt Ausbildungsbetreuerin Kristina Schultheis (li.). „Sie ist unsere erste Auszubildende mit Fluchthintergrund. Sie zeigt großes Interesse an den ihr überlassenen Aufgaben und den Wunsch, diese so perfekt wie möglich zu erledigen. Dabei ist sie sehr erfolgreich und uns im Sekretariat eine große Unterstützung“ so Schultheis. „Durch Corona haben wir mehr zu tun, alle geben Vollgas.“ Dass Shabnam einen Fluchthintergrund hatte, spielte bei der Einstellung kaum eine Rolle, erzählt Schultheis: „Wir waren hier absolut offen. Jeder Mensch sollte die gleichen Chancen haben. Wichtig ist, dass das Interesse da ist und man sich eine Zukunft in dem Beruf wirklich vorstellen kann“.
Shabnam Nadery musste wieder bei Null anfangen, als sie mit ihren zwei Brüdern 2015 nach Deutschland kam. Ihr Anglistik-Studium in Afghanistan wurde zwar hier anerkannt. Aber für den Beruf als Englisch-Lehrerin, den sie in Kabul bereits ausgeübt hat, hätte sie hier noch weiter studieren müssen. „Zu Hause war ich unabhängig und hatte mein eigenes Einkommen. Hier war alles schwierig, nicht so, wie ich es mir vorgestellt hatte“, berichtet die junge Frau.
Vorstellung und Wirklichkeit des Arbeitsmarktes klaffen oft weit auseinander. BLEIB-Beraterin Neriman Ün-Fahsi (re.)vom Mittelhessischen Bildungsverband e.V. Kassel erkannte schnell den Ehrgeiz und das Potential von Shabnam aber auch ihr starkes Bedürfnis nach einer sicheren Bleibeperspektive. Die kann ihr eine Ausbildung durch die sogenannte Ausbildungsduldung geben – ein Studium nicht. Ün-Fahsi vermittelte ihr erforderliche Sprach- und Bildungsangebote. Sie schlug ihr das Programm „Wirtschaft integriert“ vom Bildungswerk der Nordhessischen Wirtschaft vor. Hier probierte die junge Frau die beruflichen Bereiche Büromanagement, Elektro, Holz und Metall aus und absolvierte eine Einstiegsqualifizierung (EQ) mit Aussicht auf eine Ausbildung als Kauffrau für Büromanagement. Leider wurde sie im Anschluss an die EQ aber nicht in die erhoffte Ausbildung übernommen.
Also hieß es nochmal umdenken gemeinsam mit der BLEIB-Beraterin. Der medizinische Bereich war ihr vertraut durch ihren Vater, der im Heimatland als Allgemeinarzt und Apotheker tätig war. Sie bewarb sich bei der Blutspende der DRK mit Erfolg. „Wir erfahren in unserer Beratung, dass geflüchtete Menschen zu oft nach ihren Defiziten beurteilt werden. Potentiale sind nicht immer gleich offensichtlich. Wichtig ist, den Menschen eine Entwicklung zuzugestehen. Da ist es außerordentlich hilfreich, auf Arbeitgeber zu treffen, die offen und unvoreingenommen sind“, so BLEIB-Beraterin Ün-Fahsi. Shabnam möchte sich weiterentwickeln. „Bei uns im Unternehmen hat sie alle Möglichkeiten und Unterstützung, die sie braucht“, bestätigt Ausbildungsleiterin Kristina Schultheis.