03. Juli 2020. Welche Beraterin und welcher Berater hat das noch nicht erfahren? Eine Klientin oder ein Klient mit Fluchtgeschichte zieht sich ohne ersichtlichen Grund aus der Beratung zurück, ist resigniert oder scheinbar grundlos impulsiv. Diese Verhaltensweisen erscheinen auf den ersten Blick unverständlich und werden häufig dem „kulturellen Hintergrund“ zugeschrieben. Die Ursachen können jedoch in traumatischen Erfahrungen liegen.
Im Rahmen des Beratungsnetzwerk BLEIB in Hessen II hat der Hessische Flüchtlingsrat eine Handreichung herausgegeben. Sie beleuchtet die Zusammenhänge zwischen traumatischen Erfahrungen und alltäglichen Schwierigkeiten bei der Arbeitsmarktintegration. Sie soll Berater und Beraterinnen darin unterstützen, Menschen mit psychischen Belastungen bedürfnisorientiert zu beraten.
„Klient*innen mit einer Traumafolgestörung sind nicht pauschal arbeitsunfähig“, schreibt die Autorin Irina Dannert. „Stattdessen stellt der Zugang zu Bildung und Arbeit für die meisten Betroffenen einen großen Mehrwert dar“. Dannert schlägt zum einen eine bedürfnisorientierte und traumasensible Beratung vor. So soll in der Beratung Druck und Überforderung vermieden und Stress reduziert werden. Bildungsangebote sollten so konzipiert werden, dass Krisen und Rückschläge eingeplant sind. Zum anderen ist eine partizipative Arbeitsmarktintegration wichtig, so Dannert, in der den Ratsuchenden viele Entscheidungsfreiheiten zugestanden werden. „Die Beratung sollte auf Augenhöhe stattfinden. Der /die Ratsuchende sollte sich als handlungsfähig erleben und selbst über seine Möglichkeiten entscheiden können, um ein Gefühl der Kontrolle über das eigene Leben wiederzuerlangen. Angebote zur Arbeitsmarktintegration sollten viel Sicherheit und Kontinuität bieten“, so die Psychologin. Die Wahrscheinlichkeit, dass traumatisierte Personen auf dem Arbeitsmarkt dauerhaft bestehen, werde mit diesen Handlungsempfehlungen erhöht.
Beraterinnen und Berater sollen und können nicht die Rolle von Psycholog*innen, Therapeut*innen und Mediziner*innen übernehmen, das stellt die Autorin eindeutig klar. Das Ziel der Handreichung ist, dass sich Beraterinnen und Berater im Umgang mit traumatisierten Menschen sicherer fühlen, Verhaltensweisen einordnen können und in der Beratung darauf angemessen reagieren. Auch eigene Belastungen wie erlebte Hilflosigkeit und Ohnmacht können Beraterinnen und Berater mit Hilfe der Handreichung besser verstehen.
Die neue Handreichung zum kostenlosen Download finden Sie hier
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